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MADE IN FREEDOM

“Hope for the Future” – wie ein Verein in Wien Betroffenen von Menschenhandel einen Neuanfang ermöglicht

Andrea Staudenherz

Andrea Staudenherz ist die Gründerin von „Hope for the Future,“ die in Wien Betroffene von Menschenhandel und Aussteigerinnen aus der Prostitution betreut und ihnen Integration in den Arbeitsmarkt ermöglicht. Der Verein ist ebenso wie wir Teil des Bündnis „Gemeinsam gegen Menschenhandel.“ Im Austausch über unsere gemeinsame Vision, Menschen eine würdevolle Arbeit zu ermöglichen, konnten wir schon ein bisschen zusammenarbeiten. Die Taschen aus den „Hope for the Future“ Workshops hatten wir bereits bei Verkaufsaktionen von MADE IN FREEDOM im Sortiment und wir konnten unsere Erfahrungen mit der Stickmaschine mit dem HFTF-Team teilen. Im folgenden Interview teilt Andrea ihre persönliche Geschichte, ihre Motivation und die Herausforderungen bei „Hope for the Future.“

MIF: Du lebst in Wien, in einer wunderschönen Stadt, bei der man wohl zuerst an beeindruckende Architektur, an die Staatsoper und köstliches Essen denkt. Menschenhandel und Zwangsprostitution vermutet man hier erstmal nicht. Wie bist Du auf diese Kriminalität aufmerksam geworden?

Andrea: Durch meine persönliche Geschichte bin ich damit schon früh in Berührung gekommen. In Österreich insgesamt ist das Thema aber kaum bekannt und es besteht noch viel Aufklärungsbedarf, insbesondere was Menschenhandel betrifft. Das können sich die meisten gar nicht vorstellen. Wir versuchen deshalb auch über unseren Blog Aufklärungsarbeit und Bewusstseinsbildung zu machen.

MIF: Was hat Dich zur Gründung von „Hope for the Future“ gebracht?

Andrea: Der Anfang liegt schon viele Jahre zurück. Ich habe in meiner Kindheit sexuellen Missbrauch erlebt, bin dann später selbst in die Prostitution geraten, ich habe Drogen genommen und war schon an einem Punkt in meinem Leben, wo ich resigniert habe. Ich bin damals schwanger geworden, das war für mich ein Grund mich wieder zurückzukämpfen ins Leben. Das ist ein langer steiniger Weg, wenn man alleine und traumatisiert ist. Deshalb lag es mir danach immer am Herzen etwas für Betroffene zu tun. Ich hatte als Österreicherin den Vorteil, dass ich zu einem gewissen Teil vom Sozialsystem gestützt worden bin, aber unsere Klienten haben das überhaupt nicht. Wir arbeiten durchwegs mit Migranten und Drittstaat-Angehörigen, die eigentlich kaum irgendwie Unterstützung bekommen. Wenn man solche Geschichten erlebt hat, ist man traumatisiert man hat einen riesigen Rucksack an Schulden. Obwohl ich selbst damals Unterstützung bekommen hatte, hatte ich damit zu kämpfen.

Andrea Staudenherz, Gründerin des Vereins “Hope for the Future”

Ich weiß aus meiner eigenen Erfahrung, es ist ein langjähriger Prozess, bis man da eigentlich wieder hergestellt ist. Neben finanziellen Existenzängsten kommt dazu, dass viele Klienten gesundheitliche Probleme bekommen, weil das Erlebte von der Psyche auf den Körper schlägt. Meine eigene Erfahrung ist der Grund, warum ich eben nicht nur zuschauen, sondern etwas tun möchte. Bevor wir mit „Hope for the Future“ gestartet sind, habe ich eine Zeit lang auch in der aufsuchenden Sozialarbeit ehrenamtlich mitgearbeitet. Während wir Betroffene in Bordellen aufgesucht haben, ist mein Wunsch größer geworden etwas zu tun. Weil ich auch dort immer wieder gesehen habe, es ist einfach ein Mythos, dass alle das freiwillig machen. Das „älteste Gewerbe der Welt“ wird immer so klischeehaft dargestellt, aber in Wirklichkeit sind es meistens Geschichten mit sehr viel Leid, sehr viel Ausbeutung, Missbrauch, Gewalt…

Deswegen geht es uns bei „Hope for the Future“ in erster Linie darum, einen Platz des Vertrauens für unsere Klienten zu bieten, in dem sie sich wohlfühlen, angenommen und wertgeschätzt fühlen. Mir ist ganz ganz wichtig bei all meinen Mitarbeitern, dass wir den Frauen und auch teilweise Männern auf Augenhöhe begegnen. Und ihnen ein geschütztes Umfeld und einen Rahmen zu bieten, in dem sie die Sprache erlernen können. Denn ohne Deutsch werden sie bei uns keinen Job finden. Je nach Möglichkeit möchten wir sie so weit wie möglich vorbereiten auf den Arbeitsmarkt z.B. durch die niederschwelligen Trainings, die wir in Wien haben. Es sind aber nicht nur die klischeehaften Arbeitsstellen in der Reinigung, sondern wir wollen auch Potenziale fördern. Wir wollen ihnen einfach eine selbstbestimmte berufliche Zukunft in Freiheit und Würde ermöglichen. Einerseits bieten wir in Wien Nähwerkshops und Deutschkurse an. Andererseits haben wir in Kooperation mit einem Seminarhotel in Niederösterreich ein Arbeitsintegrationsprojekt.


http://hopeforthefuture.at/de
MIF:  Es gibt immer mehr Organisationen, die sich im Bereich von Opferhilfe, Prävention und Öffentlichkeitsarbeit engagieren. Beispiele für lebensverändernde Arbeitsintegration für Betroffenen kennen wir noch nicht viele. Wie Du sehen wir sie auch als sehr wichtigen Ansatz, um Menschen ein würdevolles Einkommen zu ermöglichen. Was sind aus Deiner Erfahrung die größten Herausforderungen von Social Businesses?

Andrea: Am herausforderndsten ist es die Finanzen für das nötige Fachpersonal zu stemmen. Denn die Betreuung von Betroffenen erfordert einfach sehr viel Zeit und Kenntnisse. Das kann ich vielleicht am besten mit einem praktischen Beispiel erklären. Wir hatten eine Alleinerziehende, die eigentlich ein Paradebeispiel für Integration ist. Sie ist aus dem Bordell direkt zu uns gekommen, hat bei uns Deutsch gelernt, den B1 Kurs und B2 Kurs gemacht, anschließend eine Ausbildung als Heimhelferin abgeschlossen und sie arbeitet jetzt als Heimhilfe. Dafür hat sie jedoch wahnsinnig viel Ermutigung gebraucht. Sie hatte auch einen riesigen Schuldenberg, hatte keine Wohnung und hätte ohne die Unterstützung einer Partnerorganisation keinen Mietvertrag erhalten. Wir haben sie dann für eine geringfügige Beschäftigung angestellt und sie bei vielem unterstützt, damit sie den Kopf frei hatte, um sich auf die Prüfungen vorzubereiten. Es gibt so viele Hürden, für die der Gesetzgeber bessere Zugänge für Betroffene schaffen sollte.

MIF:  Wie kann man Eure wichtige Arbeit unterstützen? 

Andrea: Unsere größte Challenge sind die Personalkosten für professionelles Personal. Wir haben zwar viele viele ehrenamtliche Mitarbeiter, für die ich wirklich sehr sehr dankbar bin. Aber um professionell arbeiten zu können — gerade wenn es um Bildung und Arbeitsintegration geht — kann man das leider nicht alles nur mit Ehrenamtlichen abdecken. Um unser knappes Budget dafür zu erweitern, kann man direkt an den Verein „Hope for the Future“ spenden https://www.hopeforthefuture.at/de/spenden/

Die Arbeit unserer Nähworkshops kann man zum Beispiel mit einem Auftrag für Taschen mit besticktem Firmen-Logo unterstützen. Außerdem hilft jeder Kauf der Taschen und anderer Textilien, die die Workshop-Teilnehmerinnen hergestellt haben.

MIF: Vielen Dank, Andrea, für diesen bewegenden Einblick in Dein Leben und in die Arbeit von „Hope for the Future.“

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